McMindfullness und toxische Positivität
Auch Achtsamkeit heilt nicht von Stress und unangenehmen Gefühlen. Der Mythos, dass Menschen, die Achtsamkeit leben nur gelassen und positiv durch die Welt gehen, hält sich nach wie vor hartnäckig. Wer sich mal bei Instagram diverse Yogalifestyle Accounts ansieht oder den #Achtsamkeit verfolgt sieht sehr viel Friede, Freude Eierkuchen. Gelassenheit, Selbstliebe und Optimismus. Daraus entsteht eine toxische Positivität, die nichts mit Achtsamkeit zu tun hat. Wir müssen nur positiv denken und „achtsam“ sein, dann ist alles gut. Der Begriff Achtsamkeit wird in diesem Zusammenhang mitunter in vielen Bereichen sehr inflationär genutzt. Daraus entstand der Begriff „McMindfullness“, der genau diese inflationäre und zum Teil missverständliche Nutzung des Wortes Achtsamkeit beschreibt. Alles ist achtsam, weil es Achtsamkeit ja so hipp ist.
Auch achtsame Menschen haben schlechte Tage – NIx mit McMindfullness
So wurde ich im Frühjahr, als wir alle mit unseren Kindern zu Hause waren, verwundert gefragt: „Dir geht es auch schlecht damit? Das dachte ich gar nicht. Du machst doch Yoga und so…“ Ja, stimmt. Ich mache Yoga. Ich versuche meinen Alltag so achtsam wie möglich zu leben. Das bedeutet nicht, dass das 24/7 geht. Auch ich schalte immer wieder zurück in den Autopiloten, insbesondere in stressigen Lebensphasen. So wie wahrscheinlich jeder Mensch, denn genau das ist ja auch menschlich.
Der Unterschied zu meinem Alltag vor der Yoga- & Achtsamkeitspraxis ist allerdings, dass ich mein Verhalten viel öfter reflektiere und dass es mir dadurch viel schneller gelingt den Autopiloten abzustellen und dadurch wieder selbst das Ruder übernehmen kann. Bei Achtsamkeit geht es nicht darum sich gut zu fühlen. Es geht darum bewusst wahrzunehmen, was los ist. Mit der ganzen Bandbreite an Emotionen. Das heißt, es ist in der Achtsamkeitspraxis enorm wichtig auch unangenehme Gefühle und Gedanken zu erkennen, sie zu akzeptieren. ALLE Gefühle anzunehmen, ohne darüber zu urteilen, ob es jetzt gut oder schlecht ist so zu fühlen. Sie sind da und dürfen sein. Das gilt sowohl für angenehme Gefühle als auch für unangenehme Gefühle wie z.B. Wut, Trauer, Angst etc.
Es lohnt sich den Muskel der Achtsamkeit zu trainieren
Achtsamkeit kann in Situationen, wie in dieser aktuellen Pandemie, in der die unangenehmen Gefühle Überhand nehmen, dabei helfen handlungsfähig zu bleiben oder handlungsfähig zu werden. Dabei gilt aber auch, dass es nicht hilfreich ist in einer akuten depressiven Phase sich zu sehr auf seine Gedanken und Gefühle zu konzentrieren. Das birgt die große Gefahr noch tiefer in eine Depression zu geraten. In dieser Phase ist es hilfreicher die Aufmerksamkeit von den Gedanken und Emotionen zu lösen und beispielsweise die Körperwahrnehmungen genauer zu erspüren. In einem weiteren Post zum Thema Meditation werde ich das noch einmal ausführlicher beschreiben.
Also bleibt das Fazit, dass es für eine schlechte, krisenhafte Lebensphase hilfreich ist den Muskel der Achtsamkeit im Vorfeld zu trainieren. Damit du dann auf diese Kraft zurückgreifen kannst, wenn es dir nicht mehr so leichtfällt, wenn die unangenehmen Gedanken und Gefühle möglicherweise dabei sind Überhand zu nehmen. Oder du schlicht weg das Gefühl hast, es bliebe dir keine Zeit für die Achtsamkeitspraxis. Genau dann ist es umso wichtiger dir die Zeit für dich zu nehmen und zu spüren. Wie geht es mir grade? Wie fühlt sich mein Körper an? Was ist in meinem Geist so los? Welche Gefühle sind da? Nur spüren, nicht urteilen! Liebevoll, wohlwollend ohne ein Warum…
Das kannst du gerne mit meinen angeleiteten Meditationen in meiner Audiothek direkt ausprobieren. Und auch die Widerstände erkennen und annehmen, die sich möglicherweise in der Meditation oder bei einzelnen Yogaübungen zeigen. Auch diese Widerstände dürfen sein. Deshalb heißt es nicht, dass du das schlecht machst. In der Meditation gibt es kein Richtig und kein Falsch! Alle Gedanken, alle Gefühle, alles Empfindungen dürfen sein. Es muss nicht immer direkt etwas verändert werden. Vielleicht lösen sie sich dann ganz von allein auf. Probiere es aus, auch wenn du eher skeptisch bist. Und wichtig dabei: Probiere es mehrfach aus!
Relax, be calm, be spiritual! Marion
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